Hinter Deinen Mauern

Chorkind: Kinder sehen sowieso immer, was mit den großen Leuten los ist.

Chorkind: Darum benehmen wir uns ja auch manchmal so schrecklich. Wir wollen die Großen dann auf das aufmerksam machen, was mit ihnen los ist.

Chorkind: Aber die Großen denken dann, mit UNS wäre was nicht richtig. Irgendwann stimmt das dann auch. Nämlich dann, wenn wir Kleinen groß sind. Wenn sich der Kummer wie Zement um die Herzen gelegt hat, weil man nicht verstanden wurde. Weil man nicht geliebt wurde, wie man ist.

Als Du Dich das erste Mal verlassen fühltest,
legtest Du den ersten Stein um Dein Herz.
Du warst so klein.
Und verlassen fühlt man sich wohl manches mal.

Wann hast Du das erste Mal die Mauer um Dein Herz gespürt?
Als sie schon so hoch war, dass Du Dich in Dir selbst gefangen fühltest?
Als Du innere Wachen aufstelltest, die Deine Burg beschützen
und jeden verscheuchen, der es wagt,
einen Blick hinter Deine Zinnen zu werfen?

Wovor fürchtest Du Dich, dass Du so hohe Mauern baust?
Vor Menschen, die Deine Angst erkennen könnten?
Vor Dir selbst, weil Du nicht weißt, wie das Leben ohne Mauer wäre?
Vor dem Licht, dass in Deine inneren Verliese fiele?

Die Mauer ist Dein Schutz. Niemand wird sie Dir nehmen.
Doch jeder Herzschlag pocht an Deine Tür.
Die Liebe klopft von außen und von innen.
Deine Liebe zu Dir selbst und zu anderen, Geschenk des Himmels, bedingungslos.
Diese Liebe kann Dir niemand nehmen. Sie liebt Dich
mit Deinen Mauern und dunklen Türmen.

Du weißt: Öffnest Du dieser Liebe die Tür,
fällt der erste Stein vom Herzen.

2. Oktober 2016